Gelber Schimmel
« Der Fluch des Pharaos »
Am 4. November 1922 stieg die von Howard Carter geleitete Expedition in die versiegelte Grabkammer Tutenchamuns hinab und ließ sich von der unheilverkündenden Inschrift “Der Tod wird auf schnellen Schwingen zu jenem eilen, der es wagt, die Ruhe des Pharao zu stören” nicht wesentlich beeindrucken. Nachdem in den darauffolgenden 26 Monaten neben dem Investor Lord Carnarvon weitere sechs Teilnehmer auf mysteriöse Art verstarben, eilte der Fluch der alten Götter jedoch in rasantem Tempo zu Weltruhm. Heute gilt es als gesichert, dass zumindest einige dieser Todesfälle durch gelbe Schimmelpilze verursacht wurden, deren Toxine sich in den Grabkammern über Jahrhunderte angereichert hatten.
Schimmelpilze im Diven-Modus und mit eigener Tarnkappe
Der Übeltäter ist in Fachkreisen auch unter seinem lateinischen Namen “Aspergillus Flavus” bekannt und zählt zu den am häufigsten auftretenden Pilzen in Innenräumen. So keimen seine Sporen bereits ab 4 Grad Celsius und bilden das farblose Mycel aus. Wie alle Vertreter seiner Spezies benötigt gelber Schimmel darüber hinaus natürlich noch ausreichende Luftfeuchte und ein geeignetes Nährmedium, um wachsen und gedeihen zu können. Dabei ist sein Auftreten nicht zwangsläufig darauf zurückzuführen, dass die Wohnräume nicht ausreichend gelüftet wurden oder Mängel in der Isolation aufweisen.
Schließlich keimt der Parasit bereits ab einer Luftfeuchtigkeit von 30 Prozent und kommt damit bedeutend genügsamer als vieler seine Arbeitskollegen daher. Bezüglich seiner Nahrungsquelle ist gelber Schimmel aber äußerst wählerisch: Die Samen besonders stärke- und fetthaltiger Pflanzen sollen es sein. So ist es vor allem an der Lebensmittelindustrie, den gelben Schimmel zu bekämpfen, da er überwiegend in
- Mais
- Pistazien
- Erdnüssen
- den meisten Getreidesorten und
- Baumwollsamen
keimt. Aufgrund der hohen hygienischen Standards kommt er in mitteleuropäischen Wohngebäuden somit tatsächlich nur selten vor. So findet man ihn meist nur in Speisekammern, gelegentlich auch an Möbelstücken. In unseren Breitengraden existiert mit der Temperatur aber noch ein zweiter Knackpunkt: Denn obwohl gelbe Schimmelpilze schon ab 4 Grad zu keimen beginnen, benötigen sie konstante Werte von 20 – 25 Grad, um zu blühen. Auf den dabei austreibenden Sporenträgern bilden sich große Kammern, aus denen unentwegt Sporen in die Luft gelangen. Nur unweit entfernt siedeln die winzigen Unruhestifter, sodass gelber Schimmel recht dicht bewachsene Kolonien zu bilden pflegt. Allerdings überwiegend in subtropischem Klima. Bezüglich seiner Farbgebung zeigt er sich aber schon wieder von seiner hinterhältigen Seite: Abhängig vom Alter des Pilzes und des Nährmediums können die Fruchtkörper in gelb, braun und zuweilen auch in grün erblühen. Die Oberflächenstruktur wirkt fast immer ungewöhnlich trocken bis körnig. Daher riecht gelber Schimmel nur unwesentlich und kann sich über lange Zeit unbemerkt verbreiten.
Die gelbe Gefahr
Das ist wiederum keine gute Neuigkeit für unsere Gesundheit. So enthält gelber Schimmel mit den Aflatoxinen aus den Untergruppen B1 und B2 eines der schädlichsten Mykotoxine (Pilzgifte) überhaupt. In hoher Konzentration wird es für Herzversagen und Nierenblutungen verantwortlich gemacht. Dazu muss eine orale Einnahme erfolgen. In den Organismus der Haustiere und Menschen gelangt der Schadstoff allerdings hauptsächlich über die Luft, wo er nur in geringer Dosis vorliegt. Dadurch kann es wiederum zur Aspergillose kommen, die bei Allergikern die bekannten Symptome auslöst, während sie bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem gefährliche Infektionen verursacht. Darüber hinaus gilt Aflatoxin als hochgradig krebserregend und kann
- den Darm
- den Magen
- die Lunge sowie
- das zentrale Nervensystem
befallen. Wie gefährlich die Schimmelpilze sind, verdeutlicht zudem der Umstand, dass schon eine Dosis von 0,8 mg bei einem Körpergewicht von 80 Kilogramm tödliches Potential entfalten kann. Bei sehr starken Überdosierungen tritt der Tod somit zwangsläufig durch akutes Leberversagen ein, weshalb vereinzelte Staaten Aflatoxin als biologischen Kampfstoff lagern.
Gelbe Karte für den Schimmel
Das führt uns zur Frage, wie es den Schimmel zu bekämpfen gilt. Bei befallenen Lebensmitteln ist der Vorgang mit dem Weg zur Mülltonne erfrischend schnell abgeschlossen. Wenn sich gelbe Schimmelpilze auf Möbeln, Wänden oder Kleidungsstücken niederlassen, muss man aber etwas mehr Zeit einplanen. Im Fachhandel finden sich zum diesem Zweck zahlreiche Produkte, die im Prinzip alle das Ziel verfolgen, dem Pilz die überlebensnotwendige Flüssigkeit zu entziehen. Naturbelassene Mittel beinhalten daher einen hohen Alkoholanteil, während die berüchtigte Chemiekeule zumeist auf Chlorbasis agiert. Für welche Variante man sich entscheidet, hängt in erster Linie von der persönlichen Wohnsituation ab: Sind hier chronisch kranke Mitbewohner oder Haustiere zuhause, ist der Einsatz giftiger Schimmelentferner kontraproduktiv. So sollte man besser zu natürlichen Mitteln greifen, dessen Einwirkzeit jedoch einige Tage in Anspruch nehmen kann. Danach geht’s aber wieder schneller vorwärts: Die Schimmelpilze sind nun vollständig ausgetrocknet und lassen sich mit einem Handfeger oder einer kleinen Drahtbürste leicht entfernen. Da Aflatoxine über die Haut aufgenommen werden können, ist währenddessen zum Zwecke des Selbstschutzes zwingend darauf zu achten, Handschuhe und Atemschutzmasken zu tragen. Darüber hinaus sollte man Schimmel nur unter ständiger Zufuhr frischer Luft bekämpfen, um die freigesetzten Sporen direkt ins Freie zu befördern. Abschließend ist der gesamte Arbeitsbereich großzügig abzusaugen, wobei Sauger mit speziellen Hepafiltern zum Einsatz kommen müssen, die zum Entfernen gefährlicher Giftstoffe geeignet sind.
Platzverweis wegen wiederholtem Foulspiel
Nun ist also endlich wieder Zeit zum Durchatmen und Relaxen. Damit das so bleibt, folgen anschließend präventive Maßnahmen. Das betrifft zunächst die regelmäßige Zufuhr frischer Luft. Dies kann über automatische Belüftungsanlagen realisiert werden oder indem man die Fenster tagsüber durchgehend gekippt lässt. Praktisch ist jedoch, zweimal täglich gründlich stoßzulüften. Dabei findet ein kompletter Luftaustausch statt, der den in der Wohnung angesammelten Wasserdampf direkt mit sich nimmt. So wird bei Durchzug in drei Minuten so viel Luftfeuchtigkeit ins Freie befördert, wie es einem halben Liter reinem Wasser entspricht.
Kleinigkeiten verhindern Schimmelbildung
Des Weiteren gilt es ebenso, die individuellen Tätigkeiten zu berücksichtigen. So wird beim Duschen, Baden und Kochen regelmäßig Wasserdampf freigesetzt. Wird er im Anschluss nicht direkt wieder abgeführt, setzt er sich überall in der Wohnung ab und bewirkt erneutes Schimmelwachstum. Dass diese Taktik im Winter neben dem Schimmel auch die Mienen der Mitbewohner einfrieren lässt, verlangt nach einer Alternative. Daher kommen in dieser Zeitspanne vermehrt elektrische Luftentfeuchter zum Einsatz, um die Ursachen des Pilzes zu bekämpfen. Hierbei handelt es sich um Lüfter, die unter Zuhilfenahme chemischer Kühlmittel überschüssigen Wasserdampf binden. Hochwertige Geräte verfügen zudem über integrierte Wärmetauscher (verhindern die Auskühlung der Wohnung) und digitale Hygrometer, mit denen sich die Luftfeuchtigkeit ganz exakt bestimmen lässt.
Falls es diesen Vorsichtsmaßnahmen zum Trotz in den Ecken dennoch erneut gelb schimmern sollte, muss unter Umständen die Inneneinrichtung überdacht werden. So entwickelt sich gelber Schimmel in handelsüblicher Blumenerde derart rasant, dass es in vielen Krankenhäusern inzwischen untersagt ist, den Patienten Blumen mitzubringen. Zumeist geht es jedoch auf bauliche Mängel zurück, wenn der Pilz regelmäßig wiederkehrt. Selbst talentierte Laien sind an diesem Punkt ihrer Optionen beraubt und werden die Schimmelpilze von einem Fachbetrieb bekämpfen lassen müssen, Dieser wird zunächst den akuten Befall beseitigen und sich dann auf die Suche nach der Ursache begeben. Dabei werden fast immer schlecht isolierte Gebäudeteile der Missetat überführt, wodurch feuchte Luft in die Wohnräume gelangt. Das Problem lässt sich nur durch umfangreiche Sanierungsarbeiten beheben.
Die anfallenden Kosten müssen Eigenheimbesitzer leider in Eigenregie begleichen. Von Schimmel geplagte Mieter haben nun aber mal wieder einen Grund zum Lachen. So wird deren Vermieter nach Luft schnappen, wenn die Zahlungsaufforderung der Handwerker eintrifft.