Schwüle Luft im Zimmer
« Raumklima des Grauens »
Solange die Temperaturen nicht dauerhaft die 30-Grad-Marke überschreiten, ist der Sommer zweifelsfrei die bevorzugte Jahreszeit der Deutschen. Leichte Kleidung, lange Sonneneinstrahlung und die BBQ-Party im eigenen Garten haben vieles für sich. Dagegen stöhnt ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung laut auf, sobald im Wetterbericht folgendes zu vernehmen ist: „In den nächsten Tagen drängt eine Kaltfront nach Mitteleuropa, die reichlich schwüle Luft mit sich führt…“
100 Prozent reichen nicht aus
Was letztlich kaum verwundern kann: Der Meteorologie zufolge liegt schwüle Hitze dann vor, wenn die Umgebungsluft bei hohen Temperaturen in erheblichem Maße mit Wasserdampf angefüllt ist. Warum damit so unangenehme Begleiterscheinungen einhergehen, wird deutlich, wenn man sich die Ursachen vor Augen führt: Die Atmosphäre kann nur eine gewisse Menge Luftfeuchtigkeit aufnehmen, bevor diese an Staubpartikeln kondensiert, große Wolkenformationen bildet und schließlich abregnet. Dieser Effekt ist auch unter dem Terminus „Taupunkt“ bekannt, welcher wiederum temperaturabhängig ist. Mit anderen Worten: Es kann umso mehr Wasserdampf in der Luft gebunden werden, je wärmer es ist. Wenn dann im Sommer aufgeheizte und kühle Luftmassen aufeinandertreffen, wird der Taupunkt rapide herabgesenkt, was zu spektakulären Gewitterformationen führt.
In den tropischen Breitengraden läuft dieser Abkühlungsprozess dagegen wesentlich langsamer ab, sodass er sich über einen längeren Zeitraum am Rande des Taupunktes bewegt. Die schwüle Luft ist dann beinahe, aber noch nicht vollkommen gesättigt. Fehlen dann auch noch Kondensationskeime (also Luftverschmutzung) in der Atmosphäre, kann der relative Wert sogar über 100 Prozent annehmen. In Extremfällen kann die Luftfeuchte somit ganze 200 % erreichen. Unter Laborbedingungen wurden sogar schon Werte um die 800 Prozent erzielt. Damit ist in Mitteleuropa natürlich nicht zu rechnen, wenngleich es auch hier zuweilen sehr unangenehm werden kann. Was nicht zuletzt daran liegt, dass die relative Dichte der Luft erheblich ansteigt, wenn es schwül ist. Der steigende Druck macht sich dann vor allem in Bodennähe bemerkbar. Das diffuse Gefühl der Bedrückung an jenen Tagen ist also keinesfalls eingebildet. Schwüle Luft ist tatsächlich schwerer als nicht schwüle. All das bereitet dem menschlichen Organismus nicht unerhebliche Schwierigkeiten…
Erbitterte Konkurrenten: Hohe Luftfeuchtigkeit und angenehmes Raumklima
Schließlich sind unsere Körper noch immer an die Bedingungen der letzten Eiszeit angepasst. So hielt diese Episode ca. 100.000 Jahre an und endete erst 8.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Vor dem Hintergrund der menschlichen Entwicklung (etwa 4,2 Mio. Jahre) ist das ein verschwindend geringer Zeitabschnitt. Aus evolutionärer Sicht macht die Eiszeit im Moment also nur eine kleine „Pause“. Und in jener Epoche war es nur selten schwül. Damals war es wesentlich wichtiger, die Körperwärme aufrechtzuerhalten. Im Vergleich zu einigen Tierarten verfügen wir somit über recht überschaubare Möglichkeiten, um unseren Temperaturhaushalt bei Hitze zu regulieren. Dies geschieht nämlich ausschließlich über Schweißabsonderungen, die dann auf unserer Haut verdunsten und somit unsere Temperatur senken. Und das System ist außer Kraft gesetzt, wenn die schwüle Luft im Zimmer und in der Atmosphäre übersättigt ist. Die direkten Folgen sind dabei keinesfalls zu unterschätzen: Die Kerntemperatur des Körpers steigt schnell auf 39 Grad an. Damit einhergehen:
- erhebliche Konzentrationsmängel
- Kopfschmerzen
- Schwindelgefühle
- erhöhter Herzfrequenz (Tachykardie)
- Sehstörungen
- Atembeschwerden
Im schlimmsten Fall droht zudem der gefürchtete Hitzschlag mit einer Körpertemperatur ab 40 Grad, der tödlich enden kann. Dass dadurch die Frustrationsschwelle deutlich herabgesenkt wird, verbessert die Situation auch nicht erheblich. So verzeichnet die Statistik des Bundes deutscher Kriminalbeamter (BDK) schon seit Jahrzehnten, dass die Gewalttaten und Verkehrsunfälle sprunghaft ansteigen, wenn es schwül ist.
Ganz besonders schlimm erwischt es aber Menschen mit niedrigem Blutdruck. Die Betroffenen leiden unter massiven Konzentrations- und Atemschwierigkeiten, die in einem vorübergehenden Delirium gipfeln können. Mediziner erteilen der Bevölkerung im Sommer daher schon prophylaktisch den Rat, schwere körperliche Tätigkeiten in die frühen Morgen- oder späten Abendstunden zu verlegen und mittags gekühlte Zimmer aufzusuchen. Doch wie erzielt man das ideale Raumklima, wenn es heiß und schwül ist?
Tropfsteinhöhle mit Klimaanlage
Die geplagte Bevölkerung schwört dabei auf wirkungsvolle Klimaanlagen. Das Bundesumweltamt verfolgt da aber eine ganz andere Agenda: „Mobile Klimageräte sind nicht zu empfehlen, da sie einen hohen Stromverbrauch aufweisen. Wenn jeder Haushalt damit ausgestattet ist, sind die Klimaziele der Regierung erheblich gefährdet. Auch an schwülen Tagen sollte man daher auf den Einsatz von Ventilatoren und die richtige Lüftungstaktik setzen, um die Bedingungen im Zimmer erträglich (!) zu gestalten.“ Mit anderen Worten: Die Deutschen sollen angesichts lebensgefährlicher Umstände (das RKI verzeichnete im Rekordsommer 2018 allein im Großraum Berlin 490 Hitzetote, in Hessen wird die Zahl auf 740 geschätzt) nicht so viel jammern und auch mal ans Klima denken.
Da ist es kein Wunder, dass die Deutschen ihre Lösung in den Produkten der Klimabranche suchten und auch 2018 wieder sämtliche Lagerbestände leerkauften. Dabei sollte aber auf die richtige Ausstattung geachtet werden, um am Ende nicht das alte Problem durch zwei neue zu ersetzen: Viele günstige Klimaanlagen kühlen lediglich die Raumluft ab, vernachlässigen aber die darin gebundene Feuchtigkeit. Wenn also reichlich schwüle Luft im Zimmer vorhanden ist, senkt die Anlage die Temperaturen und drückt das Klima damit unter den Taupunkt. Was dann geschieht, kommt einer Tropfsteinhöhle im Hochsommer gleich: Die Luftfeuchtigkeit schlägt sich gleichmäßig im gesamten Zimmer nieder und schafft ideale Wachstumsbedingungen für Schimmelpilze. Darüber hinaus reagieren Elektrogeräte und die Bausubstanz recht allergisch, wenn sie sich unversehens im Raumklima einer Tropfsteinhöhle wiederfinden.
Der Klimabranche ist der Umstand schon seit Längerem bekannt. Moderne Klimaanlagen werden daher prinzipiell mit vorgeschalteten Luftentfeuchtern ausgeliefert. Diese Bauteile binden die Luftfeuchtigkeit bevor sie ins Zimmer gelangt, indem sie in der Zuleitung über eine gekühlte Oberfläche geleitet wird, was zur Kondensation führt. In Mietwohnungen ist ihr Einsatz aber quasi ausgeschlossen, da nur wenige Vermieter die nötigen Umbauten an der Außenfassade gestatten. Hier kommen dann kompakte Klimageräte zur Anwendung, bei denen halt unter Umständen noch ein separater Entfeuchter erworben werden muss. Mobile Klimageräte sind also tatsächlich nicht immer sehr praktikabel, um schwüle Luft in ein angenehmes Raumklima zu transferieren. Allerdings aus einem anderen Grund, als es vom Umweltministerium propagiert wird. Dessen Arbeitshypothesen scheinen aber prinzipiell aus dem vergangenen Jahrhundert inspiriert zu sein.
Aktuelle Klimaprognosen: Berlin bald so heiß wie Australien
Schließlich legt es in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsministerium seit Beginn des Jahrtausends regelmäßig Förderprogramme für bauliche Maßnahmen auf, die darauf abzielen, möglichst viel Wärme in den Gebäuden zu speichern. Auf ein entsprechendes Äquivalent für die moderne Klimatechnik warten die geplagten Bundesbürger bis dato jedoch vergebens. Dabei ist in den kommenden Jahrzehnten keineswegs Entspannung an der Klimafront in Sicht: Die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Zürich veröffentlichte Anfang Juli 2019 ihre Langzeit-Studie, der zufolge die Temperaturen des Rekordsommers in 30 Jahren den Standardwerten in Mitteleuropa entsprechen werden. Das Berliner Stadtgebiet wird dann der Hitze ausgesetzt sein, die zurzeit im australischen Outback herrscht.