Was bedeutet eigentlich die Luftwechselrate?
Zur großen der Bürger strich Mecklenburg-Vorpommern die Wortschöpfung Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz („abgekürzt“ RkReÜAÜG) im Jahre 2013 aus dem Landesrecht. Neben Behörden neigen jedoch auch deutsche Ingenieure und Techniker dazu, simple Sachverhalte mit Fachbegriffen zu umschreiben, um die restliche Menschheit zu verwirren. So stolpert man recht schnell über den Begriff „Luftwechselrate“, wenn man sich im Netz übers optimale Lüftungsverhalten in Wohnräumen informiert. Ein wesentlicher Bestandteil jener kommunikativen Missverständnisse speist sich zudem aus dem Umstand, dass die dazu gelieferten Definitionen ebenfalls von Fachkräften stammen und für den Durchschnittsbürger nur schwer zu verdauen sind.
Boxenstopp im Wohnzimmer
Dabei wird mit der Luftwechselrate lediglich die Häufigkeit der Lüftung in privat und gewerblich genutzten Räumlichkeiten wiedergegeben. Um genau zu sein, orientiert sie sich im Wesentlichen am vorhandenen Raumvolumen und wie oft dieses pro Stunde ausgetauscht wird. Wenn demnach die Raumluft in einem 50 Kubikmeter fassenden Zimmer durch manuelle Lüftung oder automatische Klimatechnik alle 30 Minuten erneuert wird, resultiert daraus eine Luftwechselrate von 2. Wer dabei unwillkürlich an Bilder aus dem professionellen Motorsport denken muss, liegt gar nicht so falsch: So könnte man die regelmäßigen Vorgänge in der Boxengasse tatsächlich mit dem Begriff „Reifenwechselrate“ umschreiben. Dass dem nicht so ist, soll die kreative Wortschöpfung der deutschen Ingenieure aber nicht nachhaltig schmälern. Dennoch steht nun noch immer die Frage im Raum, wozu die Luftwechselrate überhaupt benötigt wird.
Hier kommen die anerkannten Regeln der Technik (für einen konkreten technischen Bereich geltende Vorschriften, wie etwa die VDI- und DVGW-Richtlinien und die VDE-Vorschriften) ins Spiel, nach denen die Luftwechselrate in Wohnräumen den Mindestwert von 0,5 nicht unterschreiten sollte. Das Regelwerk bezieht sich dabei explizit auf die Erkenntnisse führender Lufthygieniker, wonach dieser Grenzwert zweifelsfrei ausreicht, um die Kohlenstoffdioxidkonzentration in der Raumluft so niedrig zu halten, dass selbst Risikogruppen, wie
- Senioren
- Kinder
- Haustiere und
- chronisch Kranke
aufatmen können. Darüber hinaus wurde in den Regeln der Technik die minimale Luftwechselrate für betrieblich bzw. gewerblich genutzte Räumlichkeiten festgehalten, die zum Teil erheblich öfter frische Luft benötigen als Privatwohnungen. An dieser Stelle könnte der Bericht zur Wechselrate und zum Lüftungsverhalten der Deutschen im Prinzip enden. Wenn denn da nicht der Umstand wäre, dass Ersterem noch eine zweite Bedeutung zukommt.
Das merkwürdige Lüftungsverhalten von Großstädtern
Und diese führt uns ohne Umwege in die Welt der modernen Klimatechnik. Dessen führende Hersteller beklagten jahrelang den Missstand, dass der durchschnittliche Deutsche die Leistungsangaben ihrer Geräte nur schwer einordnen und somit schlecht miteinander vergleichen konnte. Daher ersannen sie eine zusätzliche Referenzgröße, die sich direkt auf die Luft-Zufuhr bezog und schufen somit die Luftwechselrate. Dass sich diese auch langfristig durchsetzte, ist allerdings nur geringfügig den Aktivitäten der Klimatechnik-Branche geschuldet. Schließlich konnten sich deutsche Eigenheimbesitzer bis 2002 auf die manuelle Lüftung verlassen, um ihr Raumklima im Lot zu halten. Allerdings änderte das Energieministerium seinerzeit zahlreiche Bestimmungen zur Wärmedämmung privat genutzten Wohnraumes und fasste diese in der Energieeinsparverordnung (EnEv) zusammen. Und schon bald nach ihrem Inkrafttreten zeigten sich die Schattenseiten der neuen Bauvorschriften: Die hermetische Abriegelung der Raumluft ließ die Kohlenstoffdioxidkonzentration und Luftfeuchtigkeit in den deutschen Wohnstuben unangenehm ansteigen, wenn ihnen nicht regelmäßig frische Luft zugeführt wurde, was nicht zuletzt bezüglich der erhöhten Schimmelgefahr nach neuen Lösungen verlangte.
So stiegen die Verkaufszahlen fest installierter Klimaanlagen mit integrierten Luftentfeuchtern und Befeuchtern im gesamten Bundesgebiet sprunghaft an, da mit dessen garantierter Luftwechselrate eine gewisse Kontinuität gegeben war. Allerdings mussten die Deutschen selbst dabei eine nicht zu unterschätzende Hürde überwinden: Aus finanzieller Sicht kann man mit zentralen Klimaanlagen nur selten ein Schnäppchen erzielen.
So gesellt sich zum hohen Anschaffungspreis zumeist noch der Umstand, dass man sie quasi nur im Rahmen einer Vollsanierung in bereits fertiggestellten Bauten installieren lassen kann. Zahlreiche Haushalte verwenden daher bis heute separate, aber noch immer fest verbaute Lüfter mit Heiz- und Kühlfunktion, um ihr Raumklima in den zentralen Wohnbereichen zu optimieren. Wer jedoch zur Miete wohnt, darf solche baulichen Veränderungen in der Regel nicht durchführen und muss somit schon etwas kreativer agieren.
Mobile Klimatechnik: Minimalismus mit System
Dass es zahlreiche Möglichkeiten geben mag, um in der Wohnung dauerhaft für frische Luft zu sorgen, steht dabei natürlich außer Frage. Eine der erfolgversprechendsten Varianten dürften aber zweifelsfrei die „kleinen Brüder“ der automatischen Klimaanlagen sein. Schließlich lässt sich der Wert der Luftwechselrate sowie der Luftfeuchtigkeit mit ihnen fast ebenso detailgetreu einstellen, wie mit ihren großen Verwandten. Darüber hinaus sind sie erheblich billiger in der Anschaffung. Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass bei der mobilen Klimatechnik recht kleine Motoren verbaut werden, weshalb sie sich nur selten dafür eignen, die Lüftung der Wohnräume im Dauerbetrieb zu gewährleisten. Dafür sind sie aber recht flexibel einsetzbar und können bei Bedarf somit auch die Luftfeuchtigkeit in der Küche und im Bad regulieren. Darüber hinaus besitzen mobile Klimageräte den Vorteil, dass sie keine Allround-Lösungen, sondern quasi Spezialisten darstellen. So lässt sich die Luft in einzelnen Räumen mit den mobilen Luftentfeuchtern und -befeuchtern wesentlich gezielter manipulieren, als mit zentralen Klimaanlagen.
In dieselbe Kerbe schlagen sogenannte Luftreiniger: Ihre Aufgabe besteht weniger in der Lüftung der Wohnräume, als vielmehr darin, deren Staubaufkommen so gering wie möglich zu halten. Somit verwundert es kaum, dass sie ursprünglich für industrielle Zwecke konstruiert wurden.
Doch natürlich ist den Deutschen nicht erst seit der Debatte um zunehmenden Feinstaub in den Ballungsgebieten klar, dass diese Belastung für den menschlichen Organismus auf Dauer kaum gesundheitsfördernd wirken dürfte.
Dementsprechend verfügen heutige Klimaanlagen fast ausnahmslos über integrierte Luft-Reiniger, die sich selbstverständlich auch mobil einsetzen lassen. So tendieren besonders allergische Eigenheimbesitzer zu dieser Variante. Schließlich fungieren die Luft-Reiniger nicht ausschließlich als zusätzlicher Staubsauger, sondern filtern darüber hinaus auch zahlreiche Schadstoffe und Pollen aus der Raumluft. In Kombination mit einem Luftentfeuchter, der die Lebensgrundlage der berüchtigten Hausstaubmilbe empfindlich einschränkt, kann man als Allergiker damit auch mit kleinem Geldbeutel einen Haushalt schaffen, der relativ frei von Allergenen daherkommt.
Viel Luft um fast nichts
Somit lässt sich abschlißend festhalten, dass sich die deutschen Techniker in ihrem Drang, simpelste Sachverhalte möglichst kompliziert zu formulieren wieder einmal selbst übertroffen haben. Denn was heute unter dem Begriff Luftwechselrate firmiert, wurde in einfacheren Zeiten ganz lapidar als „Lüften“ bezeichnet, bzw. wie regelmäßig dies durchzuführen ist. Als Richtwert für die Effizienz und das Leistungsvermögen moderner Klimaanlagen fällt ihr jedoch durchaus eine gewisse Relevanz zu: Schließlich kann nicht jeder Eigenheimbesitzer weiterführende technische Kenntnisse erlangen und erhielt mit der Luftwechselrate somit eine zusätzlichen Möglichkeit, um die einzelnen Modelle miteinander zu vergleichen.
Zudem muss man den deutschen Technikern zugutehalten, dass nicht nur sie allein Freude daran empfinden, die Bevölkerung zu verunsichern. Denn als der damalige Landwirtschaftsminister Till Backhaus das RkReÜAÜG in den Landtag eingebrachte, brach so mancher Abgeordneter in schallendes Gelächter aus. Es diente bis 2013 im Übrigen dazu, den Herkunftsort aller frei verkäuflichen Rindfleischprodukte durch lückenlose Etikettierung und Kennzeichnung exakt nachweisen zu können.